Die Bauernpartei BoerBurgerBeweging (BBB) und die Allianz zwischen PvdA (Sozialdemokraten) und GroenLinks (Grüne) werden stärkste Parteien in der Ersten Kammer in den Niederlanden.
Am 15. März fanden in den Niederlanden die Provinzwahlen statt. Alle 12 Provinzen wählen an diesem Tag ihre Provinzräte. 57,5% der Niederländer nahmen an der Wahl teil. Die insgesamt 579 Abgeordneten der Provinzräte wählen am 30 Mai 2023 die Abgeordneten der Ersten Kammer.
Bei den Provinzwahlen ist die BBB (BoerBurgerBeweging = Bauern-Bürger-Bewegung) zur größten Partei in allen 12 niederländischen Provinzen geworden und wird dementsprechend mit voraussichtlich 17 Sitzen von 75 Sitzen die größte Partei in der Ersten Kammer sein. An zweiter Stelle steht das Bündnis der beiden Linksparteien PvdA und GroenLinks, die 15 Sitze erhalten sollen.
Die jetzige Koalition von Rutte IV, welche aus der VVD (Rechtsliberalen). D66 (Linksliberale), CDA (Christdemokraten) und der Christen Union besteht, verlor an Stimmen. Die Koalition, für die diese Wahl als „Halbzeitwahl“ gelten kann, wird in der Ersten Kammer 22 oder 23 von 75 Sitzen erlangen und somit keine Mehrheit haben. Vor der Wahl hatte die Koalition auch keine Mehrheit in der Ersten Kammer. Die Ergebnisse der Provinzwahlen zeigen, dass die Unterstützung für diese Koalition abnimmt: Eine Mehrheit in der Ersten Kammer kann nur noch mit Hilfe von „rechts“ mit der BBB oder „links“ mit dem Bündnis PvdA/GroenLinks und Volt erreicht werden.
Wer verbirgt sich hinter BBB und für was steht die Partei?
Die BBB, angeführt von Caroline van der Plas, ist von nur einem Sitz in der Zweiten Kammer im Jahr 2021 zur größten Partei in der Ersten Kammer und in allen 12 Provinzregierungen im Jahr 2023 aufgestiegen. Durch die Debatte für Lösungen von Stickstoffemissionen gewann die Partei an Popularität. Die BBB hat teils gegensätzliche Ansichten zu der Problematik als die jetzige Regierung. Die Umweltpolitik von Rutte-IV, die darauf abzielt, die Stickstoffemissionen zu reduzieren, hat viel Protest hervorgerufen, insbesondere von Landwirten. Die BBB fungierte als Stimme der Landwirte und kritisierte diese Politik scharf. Diese Stimmung hat sich in den letzten Monaten ausgeweitet und erreichte einen Höhepunkt in der „Protestabstimmung“ am Mittwoch, der die breite Unzufriedenheit der Koalition zum Ausdruck gab.
Die BBB kann als sozialkonservative Partei mit populistischen Tendenzen angesehen werden. Zu vielen Fragen soll die Partei noch Stellung beziehen. Aber wichtig zu beachten ist, dass – obwohl BBB häufig als populistisch angesehen wird und die Stickstofffrage ernsthafte Herausforderungen für die Koalitionsbildung in den Provinzen darstellen wird – es unwahrscheinlich ist, dass die Partei von der Koalitionsformung ausgeschlossen wird, wie es zuvor mit der Rechtspartei Forum für Demokratie geschehen ist. Die Partei Forum für Demokratie hatte bei den Provinzwahlen 2019 einen vergleichbaren Aufstieg zur Macht, wurde aber (mit einigen Ausnahmen) effektiv an den Rand gedrängt, mit einem anschließenden Niedergang bei den Nationalwahl in 2021 und der Provinzwahl 2023. Es ist zu erwarten, dass die BBB mehr politische Wirkung und nachhaltige Präsenz haben wird.
Die Machtverschiebungen in den Provinzen, insbesondere aber in der Ersten Kammer, wird die Position der Koalition weiter destabilisieren. Auch wenn die Koalition von Anfang an auf die Unterstützung rechtspopulistischer Parteien oder von dem Bündnis der Sozialdemokraten und Grünen angewiesen war, da ihr eine Mehrheit im Senat fehlte, werden diese Abhängigkeiten nun stark zunehmen und die Verabschiedung von Gesetzen erschweren.
Die Ergebnisse der Koalitionsbildungen in den Provinzen in den kommenden Monaten und die Ergebnisse vom 30. Mai (Wahl der Abgeordneten in der Ersten Kammer) werden die wahren Ergebnisse und Konsequenzen zeigen.
Im Jahr 2025 finden die Wahlen für die Zweite Kammer und es wird sich zeigen, ob die Koalition sich halten kann. Auch finden im Mai 2024 die Europawahlen statt.
Welche Bedeutung haben die Provinzwahlen?
Bei den Provinzwahlen werden 570 Abgeordnete der Provinzräte gewählt. Diese wählen dann die Vertreter der Ersten Kammer, auch Senat genannt.
Die Erste Kammer des niederländischen Parlaments ist die zweite Instanz für die Gesetzgebung: Sie prüft Rechtsfragen, europäische Regeln, die Durchsetzbarkeit von Gesetzen. Sie hat kein Initiativ- oder Änderungsrecht. Über Umwege möglich ist das dennoch möglich. Das Oberhaus ist daher ursprünglich weniger politisch als das Unterhaus. In den letzten Jahren hat sich dies geändert und der Senat verhält sich politischer.
Das Oberhaus hat 75 Mitglieder (im Unterhaus 150) und tagt einen Tag pro Woche. Dabei handelt es sich in der Regel um verdiente Vertreter und Vertreterinnen von Parteien und/oder Personen mit anderen sozialen Funktionen (an den anderen vier Tagen der Woche). Die Parteiverteilung ist in der Regel ähnlich wie im Unterhaus.
Die Regierung Rutte IV (seit 2021) und Rutte III (seit den Provinzwahlen 2019) hatten mit ihrer Koalition keine Mehrheit im Senat. Das macht ihre Arbeit schwieriger, denn sie müssen daher die Gesetzgebung im Voraus „senatsfest“ machen und dort über Mehrheiten nachdenken (über links oder rechts).
In Zukunft hängt ihre Mehrheit sehr stark von BBB oder über ‚links‘ ab. Das macht es schwieriger, aber nicht unmöglich.
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